Mit ihrer beschaulichen Länge von 32,5 km durchfließt die gemächliche Nordradde die Geestlandschaft des Hümmlings. Ihre Quelle im Osten des Hümmlings ist der Spahnharrenstätter Graben. Von dort aus überwindet sie ein Gefälle von 20 m bis in die Ems bei Meppen und schließlich in die Nordsee. Auch wenn sie heutzutage ein gezähmter Fluss ist, dessen Ufer auf einen stetigen Abstand begradigt wurde, so kann man anhand ihres schleifenreichen Verlaufs erahnen, dass dies nicht immer der Fall gewesen ist. Von Niedermooren gesäumt, schlängelte sie sich einst durch eine Urlandschaft in der die ersten sesshaften Menschen begannen ihre Umgebung zu formen. Zahlreiche jungsteinzeitliche Megalithkonstruktionen in ihrer Nähe zeugen noch heute von den unfassbaren Fähigkeiten der ersten Siedler. Doch auch in der Bronze- und späteren Eisenzeit suchten die Menschen dieser Region die Nähe zur Nordradde. So befinden sich tiefer im Hümmling ausgedehnte Hügelgräberfelder in Sichtweite zu diesem Fluss.
Neben ihrer historischen Bedeutsamkeit hat die auf den ersten Blick unscheinbar wirkendende Nordradde mehr zu bieten als dunkles Wasser und gemächliche Flussschleifen.
Wer aufmerksam ihre Ufer passiert, entdeckt hin und wieder Blößen auf den Böschungen und abgebrochene Uferbereiche. Mit wachsamen Augen und Ohren können Wandernde entlang der Nordradde die Urheber dieser „Ufergestaltungsmaßnahmen“ entdecken: Bisamratten. Mit zerzaustem braun grauem Fell tauchen sie plötzlich im dunklen Wasser auf und beobachten genau was an den Ufern ihres Flusses geschieht. Die Nagetiere, die einst nur in Nordamerika heimisch waren, wurden von dort durch den Menschen in Europa eingeführt. Grund dafür war ihr wertvoller Pelz, der noch heute in der Modewelt Absatz findet. Anders als ihr Name vermuten lässt, ist die Bisamratte keine Ratte, sondern gehört zur Familie der Wühlmäuse. So liegt es nahe, dass sie mit solch einer Hingabe ihre Behausung in die Böschung des Flussufers wühlen.
Ebenso wie die Bisamratte, so ist auch die hier anzutreffende Nutria ein heimisch gewordener Gast aus anderen Gefilden. Diese wehrhaften Nagetiere sehen ähnlich aus wie Biber, sie sind allerdings etwas kleiner und haben keinen platten, sondern einen runden Schwanz. Diese monogam lebenden Tiere stammen eigentlich aus Südamerika und ernähren sich bis auf ein paar Muscheln und Würmer größtenteils vegetarisch. Genauso wie die Bisamratten stehen sie im Verruf die Böschungen von begradigten Flussläufen zu untergraben, was dazu führen kann, dass die von Menschhand definierten Uferbereiche erneut den natürlichen dynamischen Prozessen ausgesetzt werden. Dies kann sogar dazu führen, dass ufernahe Straßen absacken. Ebenso wie die Menschen selbst sind die emsigen Bisamratten und Nutrias kleine Landschaftsgestalter.