Das Naturschutzgebiet Im Leiken ist eines der letzten typischen Bachtäler auf dem Hümmling und bietet einen hervorragenden Einblick, wie einst die Flusslandschaften der Hümmlinger Geest aussahen. Auf dem ca. 18 Hektar großen Schutzgebiet wandern Naturbegeisterte entlang von Schilfgürteln, Heideflächen, aber auch durch Grünland sowie Erlen- und Birkenbruchwälder.
Schilf, auch Schilfrohr oder Reet genannt, ist eine ganz besondere Pflanze aus der Familie der Süßgräser, die von Menschen und Tieren seit jeher geschätzt wurde. Für Tiere, die sich auf diesen Lebensraum spezialisiert haben, bietet Schilf ein wertvolles Habitat. Viele Insekten nutzen das Schilf als Windschutz und folglich suchen auch viele Vögel in den dichten Reetbeständen nach ihrer Nahrung. Ein heimischer Vogel trägt dies sogar in seinem Namen: Die Rohrammer – auch Rohrspatz genannt. Sowohl für Tiere, als auch für den Menschen war Schilf lange Zeit äußerst wichtig. Die jungen Sprossen des Schilfs können als Gemüse gegessen werden, obwohl dies geschmacklich ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Doch auch die Wurzeln dieser Alleskönner-Pflanze sind genießbar und lassen sich gemahlen zu kleinen Brotlaiben verarbeiten. Freilich diente diese Pflanze unseren Vorfahren nicht primär als Nahrungsmittel. Sie lässt sich auch anderweitig vielfältig nutzen: In früheren Zeiten wurden die Halme von Hand zu Hüten und Matten verwoben, die anders als die heutigen Baumarktprodukte eine überraschend hohe Haltbarkeit besaßen. Die bekannteste Nutzungsform des Schilfs ist jedoch eine ganz andere: Mit ihren Halmen wurden seit Jahrtausenden Hausdächer gedeckt, da eine Reet-Schicht ab ca. 20 cm als wasserundurchlässig gilt. Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft dieser besonderen Pflanze ist, dass sie sich vegetativ vermehrt. Schilf verbreitet sich über seine Wurzelausläufer, wodurch teilweise riesige Schilfbestände entstehen können. Diese natürlichen Monokulturen bestehen eher selten aus mehreren Pflanzen. Oftmals ist es nur eine einzige Pflanze, an deren weit verzweigten Wurzeln immer wieder Halme durch den Schlick emporwachsen. So wurden in Europa bereits riesige Schilfgürtel nachgewiesen, die ein Alter von über 8000 Jahren besitzen. Diese wachsen natürlich nicht auf dem Hümmling. Doch mit dem Wissen, welch ein multifunktionaler Überlebenskünstler sich hier ausbreitet, betrachtet man das hier vorkommende Pflanzenreich anders. Da natürliche Flussläufe alles andere als ein statisches Flussbett haben und sich ihr Verlauf dadurch stets ändert, entstehen des Öfteren Altarme – Flussschleifen, die von ihrem Hauptstrom getrennt worden sind. Da diese Altarme durch ihre Trennung vom Fluss keine Strömung aufweisen, verlanden sie mit der Zeit wieder. Hierbei spielt Schilf eine ganz entscheidende Rolle, da sich zwischen seinen Halmen Sedimente sammeln. Diese Fähigkeit wird heute sogar teilweise zur gezielten Landgewinnung eingesetzt.
Ein ähnlicher Alleskönner, der hier zu finden ist, ist die Birke. Jeder kennt sie, da sie mit ihrer weißen Rinde am einfachsten von allen hiesigen Bäumen zu erkennen ist. Auch wenn sie in Mooren ein häufiger, aber eher unerwünschter Gast ist, so gehört sie dennoch zum Landschaftsbild von extremen Standorten. Birken stellen sehr wenig Ansprüche an die vorherrschenden Verhältnisse und können sowohl auf trockenen Sanden als auch auf sehr nassen Standorten – wie hier Im Leiken – wachsen. Sie zählen mit zu den ersten Bäumen, die freie Brachen besiedeln und somit als Pioniere des Waldes wirken. Auch die Birke hatte seit jeher eine ganz besondere Bedeutung für den Menschen und war lange Zeit ein wahrer Freund unserer Vorfahren. Als am Ende der letzten Eiszeit Mitteleuropa eine baumlose Tundra war, war es vor allem die Birke, die am Anfang der Erwärmung das steppenartige Land besiedelte. Sie bildete Wälder und half den Menschen dieser kargen Welt beim Überleben: In ihrer weißen Rinde befinden sich zahlreiche ätherische Öle, sodass sie auch in feuchtem Zustand leicht Feuer fängt. Ein paar Funken auf ein Gemisch von fluffigen Distel- oder Rohrkolbensamen und eine fein zerkleinerter Birkenrinde und das Lagerfeuer kann beginnen (die Distel- bzw. Rohrkolbensamen dienen hierbei nur als erste Funkenfänger). Neben der Möglichkeit mit der Birkenrinde ein Feuer zu entfachen, wurden aus ihr allerlei Behältnisse gebaut. Mit viel Vorsicht von ihrem Stamm gelöst, wurden früher kleine Dosen aus Birkenrinde gefertigt, die als Aufbewahrungsbehältnis für Brotlaibe, getrocknete Lebensmittel oder Zundermaterial dienten. Teilweise wurden auch Bogenköcher und sogar Schuhe und Rucksäcke aus Birkenrinde hergestellt.
Die Rinde der Birke lässt sich grob in zwei Bereiche einordnen. Den äußeren und den inneren Teil. Der innere, das heißt der dem Stamm zugewandte Teil ist sogar essbar und lässt sich wie Nudeln kochen. Die äußere Schicht dient zur Herstellung von Teer. Wird die äußere Rinde unter Luftabschluss, wie beispielsweise in einem Tongefäß, dem Feuer ausgesetzt, kann man sogenanntes Birkenpech herstellen. Vor allem die Menschen in der Steinzeit nutzten Birkenpech als zusätzliche Fixierung ihrer Pfeil- und Speerspitzen. Aber auch als Mittel zur Abdichtung von Bootsplanken und zur prähistorischen Zahnpflege war dieser Werkstoff essentiell.
Da der Birkenzucker, auch Xylit genannt, zwar von Kariesbakterien verspeist wird, diese ihn aber nicht abbauen können und folglich daran sterben, war das Kauen von Birkenteer-Kaugummis oder das Trinken von Birkenwasser ein hervorragendes Mittel zur präindustriellen Zahnpflege. Das besagte Birkenwasser ist der klare süßliche Saft der Birken, der vor allem im Frühjahr zum Blattaustrieb bei Verletzungen des Baumes geradezu herausläuft. Vor allem von Waldarbeitern vergangener Tage ist es bekannt, dass sie die Birke aufgrund dieser Eigenschaft durchaus sehr schätzten.
Dies waren nur ein paar der zahlreichen Wunderdinge der Natur, die hier zu entdecken sind. Auch deshalb sollte an diesem Ort berücksichtigt werden: Es ist ein Naturschutzgebiet. Das Verlassen des Weges, das Streunen von Hunden, sowie die Beschädigung und Störung wildlebender Tier- und Pflanzenarten sind hier strengstens untersagt.